Freitag, 7. Februar 2020

Phantasie


Die Historiker der Zukunft werden es schwer haben, zwischen den Träumen und den Albträumen dieses Jahrhunderts zu unterscheiden. (Dávila)

Nicolás Gómez Dávila lebte im 20. Jahrhundert und fundamentale Veränderungen des Zeitgeistes sind für das 21. Jahrhundert nicht abzusehen. Vieles wird extremer, die Grundlagen bleiben gleich. Man kann ein digitales Zeitalter ausrufen und im gleichen Atemzug einen neuen Menschen, doch die tiefergehende, langfristige Analyse, die spontane Intuition legt nahe, dass die Erfindung des Smartphones beispielsweise Ausdruck eines nach wie vor gleichen Umgangs und Verständnisses von Technik und Wissenschaft ist.
Obiger Aphorismus besitzt demnach weiterhin Relevanz. Als ich ihn zum ersten Mal las, entsprang mir ein schönes Lachen: Ein Historiker der Zukunft beschäftigt sich mit Sehnsüchten und Phantasien unserer heutigen Zeit und verzweifelt, weil er sich nicht sicher sein kann, Artefakte und Fragmente richtig zu deuten. Er berät sich vielleicht mit Kollegen seines Fachs und sie diskutieren, was nun positiv oder negativ einzuschätzen ist. Eine köstliche Szenerie!
Dies impliziert einen zukünftigen Bruch mit der gegenwärtigen Lebenswelt. Es fliegt uns also auch ein Funken Hoffnung an - nämlich dass in Zukunft andere Zeiten herrschen werden; Zeiten, in denen die Menschen wieder zur Besinnung gekommen sind. Obiger Aphorismus hat so gesehen auch eine romantische Seite. Denn wie Dávila sagt:

Die Romantik drückt im Wesentlichen das Verlangen aus, nicht hier zu sein: hier an diesem Ort, hier in diesem Jahrhundert, hier in dieser Welt. (Dávila)

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